Zu einem Volksfeste im wahren Sinne des Wortes gestaltete sich das von unserer Bürgerschaft in den letztvergangenen Tagen festlich begangene Allgemeine Bürgerschützenfest. Was Wunder auch! Das Wetter war prächtig wie geschaffen; seitens des Vorstandes war nichts versäumt worden, um den Festteilnehmern Freude zu bereiten. So konnte es dann auch nicht ausbleiben, daß die allgemeine Stimmung eine vorzügliche war. Beim sämtlichen Festzügen und Paraden herrschte die musterhafte Ordnung, und mit Freuden ertrugen die Schützen die Strapazen, welche derartige Feste mit sich bringen.
Nachdem am Sonntagabend eine gemütliche Vorfeier im Zelte stattgefunden und der Vogel an den Bestimmungsort gebracht war, fand am Sonntag auf dem Neumarkt eine große Parade statt, darauf Zug zum Schützenplatze und Harmonie daselbst, wobei der Frühschoppen eingenommen wurde. Um 4 Uhr wurde die alte Königin (der König ist leider inzwischen verstorben) im festlichen Zuge zum Festplatz abgeholt, woselbst die Kapelle der Artillerie aus Wesel unter der Leitung des Herrn Stabstrompeters Schierhorn ein Konzert aufführte. Ein Ball bildete den Schluß des ersten Festtages.
Am Montagmorgen gegen 9.30 Uhr begann das Königsschießen; nach einem 2 1/2 stündigen Kampfe fiel der Königsschuß, und zwar von einem Schützen der 3. Kompagnie, Herrn J. Krichel. Derselbe lehnte jedoch die Königswürde verschiedener Umstände wegen ab und übertrug dieselbe an seinen Hauptmann, Herrn Bäckermeister Allermann, welchem nach längerem Sträuben schließlich unter allgemeinem Jubel die Königswürde übertragen wurde. Der neue Schützenkönig wählte die Gattin des Metzgermeisters Heinr. Storp zur Königin welche denn auch alsbald in 4spänniger Equipage zum Königsplatz abgeholt wurde, woselbst eine große Parade vor dem Königspaare stattfand. Nach Beendigung derselben setzte sich der Königszug von hier aus in Bewegung, welcher erst gegen 6 1/2 Uhr wider dort anlangte.
Ein recht buntes Leben und Treiben war hierauf auf dem Festplatze zu bemerken. Auf der einen Seite die Volkspiele, auf der anderen sorgte man für Unterhaltung durch Sternschießen, und dabei ließ die Kapelle ihre schönen Weisen ertönen. Gegen Beginn der Dunkelheit wurde die Polonaise eröffnet, welche bei herrlichem Wetter ihren Weg durch den parkähnlichen Wald nahm. Nach Schluß derselben erfreute uns Herr Gillen aus Münster, der bekannte Kunstfeuerwerker, mit einem großartigen Feuerwerk, welches den vollen Beifall aller Festteilnehmer fand. Nach kurzer Pause wurde der Krönungsball eröffnet, welcher den Schluß des in allen Teilen vorzüglich ausgefallenen Festes bildete.
Machen wir nun einen kleinen Rückblick auf die ganze Feier, so können wir dem Vorstande des Bürgerschützenfestes und besonders dem verdienten Herrn Vorsitzenden unsere Anerkennung für die weise Leitung und Arrangierung des Ganzen nicht versagen. Eine musterhafte Ordnung seitens der Schützen sowohl bei den Festzügen wie bei den Paraden verdient ebenfalls lobend erwähnt zu werden, und nicht minder die Restauration, welche sich in den Händen des Hotelbesitzers B. Bremer befand. Das ganze Fest ist in der herrlichen Weise verlaufen und übertrifft dasselbe bei Weitem seine Vorgänger.
Bottroper Volkszeitung vom 10. Juli 1894