Der gestrige Sonntag lieferte uns den besten Beweis, wie Einigkeit, Eintracht und treuer Bürgersinn im Stande sein werden, auch in unseren dörflichen Verhältnissen ein Fest zu feiern, wie es an Großartigkeit der inneren Organisation wohl kaum im weiten Umkreise wird übertroffen werden. Das diesjährige Schützenkorps, an 300 Mann stark, war mit voller Musik hinausgezogen auf seinen an der Chaussee Bottrop-Osterfeld unweit vom Dorfe belegenen Exerzierplatz, um daselbst zum letzten Male die für Parade usw. anläßlich des am nächsten Sonntag und Montag (8. und 9. Juli) zu feiernden Bürgerschützenfestes nötigen Evolutionen durchzuüben.
Eine große Menge Zuschauer, darunter auch viele Fremde, hatten sich auf der Chaussee und den umliegenden Wegen aufgestellt, und liehen ihre Augen dem militärischen Schauspiel auf dem freien Platze. Kommandorufe ertönten, die Adjutanten jagten pfeilschnell, die Züge paradierten stramm in beinahe vollendeter Haltung und Richtung vor ihren Obersten, und auf den jungen und alten Gesichtern war Ernst und guter Wille geprägt. Mit Interesse wurden alle Vorgänge seitens der Zuschauer verfolgt, und alte Soldaten schmunzelten vor Vergnügen in der Rückerinnerung an gleiche Erlebnisse und erhebende Momente.
Nach der Uebung entwickelte sich auf dem Platze ein anderes Bild. Die Kompagnien setzten auf Befehl die Gewehre zusammen und lagerten sich. Der Vorstand hatte in richtiger Würdigung der Strapazen in brennender Sonnenhitze für kühlenden Trunk Sorge getragen. Die Fässer wurden als wohl zu hütende Schätze in die Mitte genommen, und nun kam die Stimmung in die Gemüter, die nur der zu würdigen versteht, der sich nach getaner Arbeit der verdienten Ruhe und Sorglosigkeit überlassen darf. Fröhliche Soldatenlieder erschollen; dazwischen spielten Szenen aus dem Bivuakleben: humoristische Vorträge usw, kurzum die Stimmung war die richtige. Kein Mißton wurde wahrgenommen, und als die Stimme des Majors erscholl, die Trommel zum Antreten wirbelte, da war jeder behende an seinem Platze.
Der Rückmarsch zum Dorfe, der darauf folgende Zug durch dasselbe unter den Klängen der Musik vollzogen sich in großer Ordnung. Gewiß ist es jedem Zuschauer bekannt geworden, daß solche Volksfeste, deren Leitung in den Händen starker und angesehener Männer ruht, die vermöge ihrer Eigenschaften im Stande sind, den guten Ruf derselben zu erhalten und sie zu gemütlichen, herrlichen Festen zu gestalten, das Volk veredeln, die Zusammengehörigkeit schärfen und Bürgersinn und Bürgertugend in jedem wecken. Darum ein Hoch diesen Männern, deren Arbeit mit so vielen Opfern und Mühen verbunden ist. Sie werden sich den Dank ihrer Mitbürger erwerben und erhalten. Ein „Bravo“ den Schützen, die mit so seltener Ausdauer und Willfährigkeit ein schönes Beispiel echten Bürgersinns und wahrer Festesfreude geben.
Bottroper Volkszeitung vom 2. Juli 1894